»Robyn Hod« (ETA Hoffmann Theater Bamberg)

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Copyright: Thomas Bachmann

|Kaba und Liebe. Ein Trauerspiel|

von Niklas Schmitt

Nach 26 Jahren verlässt der Intendant Rainer Lewandowski das ETA Hoffmann Theater in Bamberg. Die letzte Note, die er setzt, ist das von ihm selbst geschriebene Stück Robyn Hod, das am vergangenen Samstag die Calderón-Festspiele eröffnet hat.

Die Qualität eines Kunstwerks kann nur daran bemessen werden, welchen Anspruch es an sich selbst stellt. Der vergangene 4. Juli wollte ein Sommertag sein und schaffte das auch ziemlich gut. Alles, wozu ich die meiste Zeit in der Lage war, war von einem Ventilator beschienen auf dem Bett zu liegen, alte Robin Hood-Verfilmungen zu gucken und zu versuchen, mich nicht unnötig viel zu bewegen. Der Weißwein im Kühlschrank war eine Meile entfernt und kein verdammter Mitbewohner erreichbar, der mir ein Gläschen ans Bett bringen wollte. Sonne? Hinter den Jalousien versteckt. Der Radiowecker war das Einzige, an dem ich meine Befindlichkeit im Tag orientieren konnte. Gegen halb acht machte ich mich dann auf den Weg zur Alten Hofhaltung, wo an besagtem Abend die Premiere der Calderón-Festspiele stattfand. Gegeben wurde Robyn Hod (sprich: Robin Hot), vom scheidenden Bamberger Intendanten Rainer Lewandowski geschrieben, von Georg Mittendrein inszeniert. Zugegeben, ich hatte es mir anders vorgestellt, aber mal aus dem Haus zu müssen und den Kreislauf in Schwung zu bringen, hielt ich auf dem Weg zum Domberg dann doch für eine gute Idee. Der Schweiß auf meinen Unterarmen wurde von der langsam aufkommenden Abendluft angekühlt, die Sonne war auf dem Weg, sich hinter der ein oder anderen aufziehenden Wolke zu verziehen oder verziehen zu lassen und sogar meine reizende Begleitung war pünktlich. Heureka, dachte ich, das wird ein guter Abend. Zumal ich seit jeher ein gewisses Faible für den rebellischen Waldbewohner von Sherwood Forest gehegt hatte. Den Reichen nehmen, den Armen geben. Sozialromantik für Geringverdiener mit revolutionärem Anstrich. Die Zeitung mit dem Griechenland-Special habe ich nicht geschafft zu lesen, lag zu weit weg.

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»Robyn Hod« (ETA Hoffmann Theater Bamberg)

»Casanova« (Theater im Gärtnerviertel Bamberg)

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Copyright: Werner Lorenz

|Was der Bauer nicht kennt|

von Felix Gerhard

»Da sich niemand mehr seines Trübsinns schämt, bleibt es die Aufgabe meiner Generation, die Fröhlichkeit in die Straßen zu tragen, jetzt und an jedem Tag des kommenden Jahres.« Wer hat das gesagt? Jedenfalls hat sich kaum jemand mehr an diesen Leitspruch gehalten als Giacomo Casanova, dessen Leben letzten Donnerstag zum ersten Mal im Theater im Gärtnerviertel auf die Bühne gebracht wurde.

Man muss sich Casanova als glücklichen Menschen vorstellen. Und wie viele glückliche Menschen ist er, was man oft nicht glauben will, Melancholiker. Seine Mutter verließ ihn früh und um diesen Schmerz zu verwinden, liebt er, oder versucht zu lieben, alle Frauen, zumindest aber so viele wie möglich. Hat er die eine, will er die andere, diese oder jene. Im Grunde rennt er aber nur der einzigen hinterher, die seine Seele rühren konnte. Davon spricht er natürlich ungern, viel lieber stellt er sich ein wenig als moderne Christusfigur dar, sich selbst für das Glück anderer opfernd. Von den einen wegen seiner Taten als gotteslästerlich verschrien, von den anderen bald für das Erschaffen eines neuen Gottes gepriesen. Dieser neue Gott ist Sex. Und ähnlich wie den Sohn der Maria hat man ihn gründlich missverstanden. Denn Casanova war mehr als nur ein Lebemann und Schwerenöter.

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»Casanova« (Theater im Gärtnerviertel Bamberg)

»Amygdala« (WildWuchs Theater Bamberg)

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Copyright: Denis Meyer

|Mein erster Experimentierkasten »Gehirn«|

von Kevin Dühr

Jetzt neu! Der Experimentierkasten »Gehirn« mit echter Tiefenpsychologie und vielen Extras zum Triebverhalten. Am vergangenen Dienstag war die Premiere von Lukas Bärfuss‘ Amygdalades WildWuchs Theaters Bamberg zu sehen. Die Inszenierung versucht dem Chaos in unseren Köpfen gerecht zu werden und bietet dem Stück entsprechend zwar keine Lösung für das Dilemma des menschlichen Versagens, gibt aber einen schwindelerregenden Einblick in unser Innerstes.

Ein Experiment. Zwei Probanden und jeweils bis zu 5000 Franken. Eine Versuchsanordnung eines Neurowissenschaftlers versucht die Dimensionen altruistischer Gewalt zu fassen. Jedes der beiden Testsubjekte erhält zunächst 1000 Franken. Sind sie in der Lage, dem jeweils anderen zu vertrauen und ihr Geld abzugeben, winkt eine Belohnung – anderenfalls geht einer von ihnen leer aus. Was sich als rational leicht zu entschärfende Situation darstellt, entpuppt sich aufgrund der temperamentvollen Charaktere als quasi unüberwindbares Hindernis. Darüber hinaus muss sich der leitende Wissenschaftler mit einer Ikone seines Fachs auseinandersetzen. Während der Stadtführung redet er sich um Kopf und Kragen, sodass bald klar wird, hier geht es nicht um die Stadt, sondern um sein zerrüttetes Selbst. Während zeitgleich eine Frau über ihre merkwürdige Begegnung mit einem Tier berichtet, setzt sich nun das Experiment an anderer Stelle fort. Die beiden Probanden planen ein Verbrechen an einer stadtbekannten Drogendealerin. Ein paar Straßen weiter tut eine Prostituierte für eine entsprechende Entlohnung fast alles. Als dralle Zuhörerin stillt sie sowohl körperliche als auch geistige Bedürfnisse. Wild springt die Geschichte von Schauplatz zu Schauplatz und skizziert Situationen innerhalb einer Stadt, ohne ein eindeutiges Bild entstehen zu lassen. In jeder Szene versteckt sich hinter der offensichtlichen Handlungsebene das Unterbewusstsein, ohne je klar hervorzutreten. Wie elektrische Impulse, die von Synapse zu Synapse schießen, versucht der Zuschauer allen Informationen zu folgen, um sich letztendlich doch zwischen dem Potential der Selbsterkenntnis, deren Handlungsfreiheit und dem Unterbewussten zu verlieren. Das ist Lukas Bärfuss‘ Amygdala.

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»Amygdala« (WildWuchs Theater Bamberg)

»Des Teufels General« (Theater Hof)

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|The Show Must Go On|

von Tessa Friedrich

»Flüchtlinge, Patrioten, Vaterlandsverräter« – im Rahmen des aktuellen Mottos des Theaters Hof darf Carl Zuckmayers Stück Des Teufels General in der jetzigen Spielzeit nicht fehlen. Doch wer eine Inszenierung im Stil der Nachkriegszeit erwartet, liegt hier falsch. Vorhang auf für General Harras!

Wenn alle anderen den rechten Arm in die Luft Strecken und »Heil Hitler!« rufen, begrüßt Harras sie mit »Guten Adolf!«: Der leidenschaftliche Pilot arbeitet zwar für die Nationalsozialisten, doch ihre Einstellungen und Taten verachtet er. Er selbst hält sich für einen Helden, unangefochten in der Kunst des Fliegens. Doch das blütenreine Superman-Kostüm des Generals wird schmutzig, als er für wiederholt aufkommende Materialfehler an Flugzeugen verantwortlich gemacht wird und eine zehntägige Frist erhält, um den Vorfällen auf den Grund zu gehen.

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»Des Teufels General« (Theater Hof)

»Bash« (Theater Regensburg)

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Copyright: Jochen Quast

|Tief in einem dunklen Wald|

von Johann Pfeiffer

Neil LaButes Bash entwickelte sich in der Spielzeit 2001/02 zum meistgespielten Stück in Deutschland. Bereits 2001 wählte die Theater heute den amerikanischen Dramatiker zum ausländischen Autor des Jahres. Der Text gehört aber noch nicht zum alten Eisen, wie das Theater Regensburg am Freitag bei den bayerischen Theatertagen bewies. Lautstark beklatschte das Bamberger Publikum das Ensemble für einen aufwühlenden Theaterabend. Mir liegen nicht nur die verstörenden Geschichten, sondern auch die misslungene Dramaturgie immer noch schwer im Magen.

Wer seinen Büchner fleißig studiert hat, weiß, dass in jedem Menschen ein tiefer Abgrund lauert. Trotz aller guten Absichten wird Woyzeck zum Mörder, da er die Demütigungen seiner Umwelt nicht mehr ertragen kann. Es ist eine unheimliche Vorstellung, mit der man sich nicht wirklich beschäftigen möchte: Steckt in jedem von uns Gewalt? Und kommt es nur auf die Situation an, bis sie unkontrolliert ausbricht? Diesen Fragen geht Neil LaBute in drei verschiedenen Einaktern nach und betrachtet dafür alltägliche, beinah banale Situationen, die bei ihm die Wucht von antiken Tragödien besitzen.

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»Bash« (Theater Regensburg)

»Der Weg zum Glück« (Theaterakademie August Everding)

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Copyright: Regine Heiland

|Glück braucht Disziplin!|

von Tina Betz

Die Suche nach dem Glück und dem Glücklich-Sein beschäftigt den modernen Menschen, denn jeder ist »seines eigenes Glückes Schmied«. Handelt es sich früher um das Schicksal, das dem Menschen zu seinem persönlichen Glück verhalf, so ist es heute die Eigenleistung des Individuums. Der Mensch von heute findet Strategien, Ratgeber und Handlungsanweisungen, die ihn (vermeintlich) zuverlässig zum individuellen Glück führen sollen. Glück ist schließlich trainierbar und selbst wenn dieses Training mal Muskelkater in Form von Traurigkeit verursacht, hilft im äußersten Notfall immer noch die Entspannungs-CD mit Meeresrauschen. Denn: wer auf dem Weg zum Glück scheitert, hat komplett versagt! Anlässlich der 33. Bayrischen Theatertage gastierte Der Weg zum Glück, eine Produktion der Theaterakademie August Everding auf der Studiobühne des ETA Hoffmann Theater. Das Schauspiel von Ingrid Lausund war ursprünglich als Monolog eines einzelnen Schauspielers geplant, die Theaterakademie jedoch arbeitet mit einer Besetzung aus acht Schauspielern und kombiniert dabei die Elemente Sprache, Musik und Bewegung miteinander.

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»Der Weg zum Glück« (Theaterakademie August Everding)

»In aller Ruhe (Quietly)« (Staatstheater Nürnberg)

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|Olé, Olé, Olé – Scheiß Katholiken!|

von Kevin Dühr

Eine Begegnung zweier traditionsreicher Mannschaften löst im Fußball starke Emotionen aus. Insbesondere jüngere Enthusiasten suchen gerne und finden in einem der beiden Kontrahenten einen Bezugspunkt, der vielleicht in ihrem Leben fehlt, und lassen sich gelegentlich zum Fanatismus hinreißen. Was aber passiert, wenn Begegnungen allgemeiner und nicht spielerischer Natur sind? Was passiert, wenn zwei Parteien aufeinander treffen, deren Anerkennung nicht mit sportlichen, sondern kriegerischen Mitteln durchgesetzt wird? Und was passiert mit den Menschen, die an dieser Auseinandersetzung beteiligt sind? Im Zuge der 33. Bayerischen Theatertage kam im ETA Hoffmann Theater Bamberg die Produktion In aller Ruhe (Quietly) des Nürnberger Staatstheaters zur Aufführung, deren Text von Owen McCafferty sich mit Fragen nach Schuld, Vergebung und der Aufarbeitung traumatischer Erlebnisse auseinandersetzt.

In einem Pub in Belfast verfolgt der polnische Wirt Robert im Fernsehen ein Spiel der nordirischen Nationalmannschaft gegen das seines Geburtslandes. Als einer seiner Kunden, Jimmy, den Pub betritt, zeigt er sich verärgert über den Rückstand seines Teams. Doch der Nordire Jimmy ist wie die Jugendlichen vor dem Pub wenig an der Partie interessiert. Er ist wegen etwas anderem hier. Er verrät Robert, dass er jemanden treffen wird und dass es Ärger geben könnte, beschwichtigt ihn jedoch sogleich. Kurze Zeit später betritt Ian den Pub. Er und Jimmy sehen ähnlich aus, sind im gleichen Alter und in Belfast aufgewachsen. Eigentlich hätten sie beste Freunde sein können, wenn sie nicht innerhalb des gleichen Viertels von zwei unterschiedlichen Parteien instrumentalisiert worden wären. 1974, zwei Jahre nach dem sogenannten „Bloody Sunday“, an dem britische Soldaten 13 Menschen in der nordirischen Stadt Londenderry erschossen, sind Jimmy und Ian 16 Jahre alt. Ihr Alltag hält eine Balance zwischen Gewalt und dem Ordinären. Während Jimmys Vater den Fernseher in den nahe liegenden Pub befördert, um in geselliger Runde das WM-Spiel zwischen Deutschland und Polen zu sehen, wird Ian von einer Gruppe ihm nur flüchtig bekannter Männer der UVF darauf eingeschworen, nach dem Ausruf „Scheiß Katholiken!“ schnellstmöglich die Bombe und daraufhin die Tür des Pubs wieder in die Angeln zu werfen. Jetzt, 36 Jahre später, fordert Jimmy, der sich daraufhin der IRA anschloss, eine Erklärung am Ort des Geschehens.

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»In aller Ruhe (Quietly)« (Staatstheater Nürnberg)

Augenschmaus und Ohrengraus – ein moderner Ballettabend in drei Teilen – Hypnotic Poison (Coburger Landestheater)

Kraftvoll für die Augen, etwas zu kraftvoll für die Ohren – so kann man die erste halbe Stunde des dreiteiligen Ballett-Abends Hypnotic Poison, der aus unterschiedlichen Blickwinkeln das Thema »Leidenschaft« beleuchtet, umschreiben. Die Kreation des Stuttgarter Choreografen Demis Volpi, gleichzeitig titelgebend für das gesamte Ballett, hat großes Potenzial, mit emotional aufgeladenen Stories und kraftvollem Körpereinsatz des Tanzensembles das Publikum in seinen Bann zu ziehen, wären da nicht die Geräusche, die aus dem Lautsprecher ertönen.

Da ist zunächst ein schrilles Lachen, am Anfang lediglich irritierend oder gar amüsant, irgendwann nur noch störend, bis man sich zuletzt nur noch die Ohren zuhalten möchte. Was dazu getanzt wird ist sinnlich und aufreibend zugleich, geht aber völlig unter in der Geräuschkulisse. Dann ist da ein Mädchen auf der Bühne, das von einem Verführer in die Falle gelockt wird. Man möchte mitfühlen, fast spürt man die Angst – wäre da nicht die Hintergrundmusik, die einen davon abhält. Auch als der Fischer von der Nixe ins Wasser gelockt wird, kann der Funke einfach nicht überspringen. Zu viel Geräusch ist da, das sich unangenehm ins Innere des Gehörs frisst.

Eine regelrechte Wohltat ist dagegen die zweite Choreografie des Coburger Ballettdirektors Mark McClain. Sechs Frauen in unterschiedlichen, schwarzen Abendkleidern erzählen, jede für sich, ihre Geschichten von der Liebe. Da kommen die unterschiedlichsten emotionalen Bandbreiten zusammen, von der wehmütigen, unerwiderten Liebe über die Reize einer Hass-Liebe bis zum Schmerz des gebrochenen Herzen. Die Tänzerinnen bewegen sich mal leicht, mal mit intensivem Körpereinsatz zu jazzigen Sounds von Billie Holiday bis Aretha Franklin. Zwar ist hier nicht viel Neues zu sehen, das Bewegungsrepertoire bleibt im Großen und Ganzen klassisch. Doch was die Frauen ausdrücken, kauft man ihnen einfach ab. Hier springt der Funke über, man fühlt mit, wird von den Emotionen eingenommen und von den Stories mitgerissen. So sanft wie sie begonnen hat, klingt diese zweite und vielleicht schönste halbe Stunde des Ballettabends aus.

Im dritten Teil des Balletts, kreiert von der koreanischen Choreografin Young Soon Hue, geht es wiederum sehr modern zu. Man findet sich zunächst an einem Flughafen wieder, spürt die Hektik, die an solchen Orten herrscht. Gepäck und Stühle werden herum gezogen, Menschen eilen hin und her. Ein paar verabschieden sich, manche schlafen im Sitzen ein und andere können sich nach Langem wieder in die Arme schließen. Die unterschiedlichsten Persönlichkeiten sind vertreten, doch haben sie alle eines gemein: was man hier sieht, ist alles nur eine Maske. Das wird im zweiten Teil dieser letzten halben Stunde deutlich, wo die äußeren Hüllen fallen, die Atmosphäre sich gleichzeitig beruhigt und verdichtet, die Tänzer sich einander nähern. Begleitet von stimmungsvollem Licht und entsprechender – diesmal angenehm passender – Hintergrundmusik geht es nun nur noch um den Mensch an sich in seiner reinsten Form. Fast nackt nähern sich Körper, schmiegen sich aneinander, tanzen anmutig zusammen. Dennoch bleibt das Ganze sehr kraftvoll und modern.

Young Soon Hue hat es hier zustande gebracht, etwas Neues zu erschaffen und dennoch dem Publikum gegenüber gefällig zu bleiben. Was genau im zweiten Teil der Geschichte erzählt wird, ist jedoch nicht ganz einfach zu verstehen – manches bleibt ein Rätsel, vieles erfordert einiges an Interpretation. Ein angenehmer Eindruck bleibt aber und eine tiefgründige Choreografie geht hiermit zu Ende.

Ein allgemeines Fazit kann an dieser Stelle kaum abgegeben werden, viel zu unterschiedlich waren die drei Teile des Ballettabends. Einer der letzten beiden Choreografien den Vorzug zu geben, wäre ein rein subjektives Urteil. Young Soon Hue hat auf jeden Fall einen Meilenstein für das moderne Ballett gesetzt, Mark McClain dagegen hat sozusagen aus Altem etwas Neues erschaffen und so für erfrischende Abwechslung gesorgt. Mit Sicherheit ist einzig zu sagen, dass Demis Volpi es mit Geräuschen und Musik wirklich etwas übertrieben hat. Leider, denn, wie schon gesagt: Was sich auf der Bühne abspielt, ist wirklich kraft- und eindrucksvoll, schwer zu missverstehen und trifft das Thema »Leidenschaft« aus verschiedensten Blickwinkeln vielleicht sogar am besten auf den Punkt… wäre man nur nicht so sehr damit beschäftigt, die Geräuschkulisse zu ertragen.


Hypnotic Poison
Demis Volpi
Coburger Landestheater

Augenschmaus und Ohrengraus – ein moderner Ballettabend in drei Teilen – Hypnotic Poison (Coburger Landestheater)

»Welt in Flammen« von Benjamin Monferat

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|Haltlos durch Hitlers Europa|

von Verena Bauer

Welt in Flammen heißt der Wälzer, mit dem Benjamin Monferat seinen Lesern diesen Sommer die Zeit vertreiben konnte. Ein Titel, der Erwartungen hervorruft. Und diese werden zu genüge erfüllt – zumindest größtenteils.

Da ist die jüdische Eva Heilmann, die mit nackten Füßen quer durch Paris um ihre Liebe rennt. Da ist außerdem der König ohne Land, der sich Hals über Kopf aufmacht, um vielleicht doch noch seine Leute zurück zu gewinnen. Da ist die abgehalfterte Schauspielerin, die sich eigentlich nur danach sehnt, noch einmal im Mittelpunkt zu stehen. Dann ist da noch die russische Großfürstin, deren Augen so viel Kälte ausstrahlen, als wäre der ganze Schnee Sibiriens darin eingeschlossen worden. Daneben ihre Tochter, ein Mädchen, das kaum mehr Zartheit und Weiblichkeit ausstrahlen könnte. Und das frisch verheiratete amerikanische Pärchen. Und der Bolschewik, und, und…

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»Welt in Flammen« von Benjamin Monferat

»Menschen wie du und ich« – Stenkelfeld (E.T.A.-Hoffmann-Theater Bamberg)

Donnerstag, 12. Dezember: Ein kühler und bewölkter Tag in der Bamberger Vorweihnachtszeit, tagsüber geschäftiges Treiben. Bisher keine besonderen Vorkommnisse in der Innenstadt. Dann, um etwa 19:30 betreten einige Besucher das E.T.A. Hoffmann Theater und bewegen sich nach dem Kartenkauf für die Abendvorstellung nichts ahnend zum Eingang des Theater-Treffs. Zu ihrer Überraschung werden sie vor Betreten des Saals jedoch vom Hals-Nasen-Ohren-Spezialist Dr. Böffkämper erst einmal auf zunächst unauffällige Erkrankungen, die die Vorstellung durch Husten oder Schnarchen stören könnten, hin untersucht.

Wer diese Hürde gemeistert hat, findet sich im Studio des regionalen Rundfunksenders von Stenkelfeld wieder und bekommt somit im Laufe des Abends einen umfassenden Eindruck dieses kuriosen Ortes und seiner Bewohner. Zu Anfang verfolgt der Zuschauer einen ‚Live-Bericht‘ von der Jahresverbandstagung der Hausmeister mit anschließender Preisverleihung für besondere Leistungen – beispielsweise das konsequente Unterbinden von Türenknallen und dem Betreten der Rasenflächen. Der hier aufs Korn genommene deutsche Spießbürger mit eher niedrigem Bildungsniveau bleibt jedoch nicht das einzige Opfer der bissigen Satire, denn auch die hochgerühmten Akademiker – seien es Kunsthistoriker, technische Wissenschaftler, oder Ärzte – und sämtliche anderen Berufs- und Gesellschaftsgruppen werden gnadenlos durch den Kakao gezogen.

Auch die Vermittlungsvarianten schöpft man voll aus, wenn dem Zuschauer abwechselnd Interviews, Gesprächsrunden, ‚Live-Übertragungen‘, Werbeeinspielungen, Schlagersongs oder die berühmten „Alltagsprotokolle“, die in sachlich emotionsloser Weise die kuriosesten Vorkommnisse wiedergeben, geboten werden. Thematisch liegt der Fokus gerade in der zweiten Hälfte des Stückes besonders auf der Zeit zum Jahresende, in der »Menschen wie du und ich« scheinbar zu besonderer Extravaganz bei der Anbringung von Weihnachtsbeleuchtung und dem Abschuss von Silvesterraketen neigen.

Der ganze fiktive Ort Stenkelfeld ist eine maßlose Übertreibung – und führt so doch genau das vor Augen, was uns alle immer wieder ärgert: Eine Gesellschaft, die vieles zu ernst und anderes zu leicht nimmt, den Kern der Sache aus den Augen verloren hat und damit die Welt konsequent fehlinterpretiert. Damit findet sich hinter dem oft absurden, aber gerade dadurch ausgesprochen lustigen Stück auch immer eine saftige Sozialkritik, bei der sich wohl jeder Zuschauer irgendwann insgeheim an die eigene Nase fassen muss.

Wer nicht nur einen kurzweiligen Abend mit hochqualifizierten Schauspielern erleben will, sondern ab und an auch ein wenig Selbstironie aufbringen kann, sollte den Ausflug nach Stenkelfeld nicht versäumen.


Stenkelfeld
Detlev Gröning, Harald Wehmeier
E.T.A.-Hoffmann-Theater Bamberg
Weitere Vorstellungen am 19. + 20. Dezember, 20:00 Uhr im Treff des E.T.A. Hoffmann Theaters

»Menschen wie du und ich« – Stenkelfeld (E.T.A.-Hoffmann-Theater Bamberg)